Orientation in Conspiration (ORION)
In unserem Projekt möchten wir die verschiedenen Faktoren besser verstehen, die zur Popularität von Verschwörungstheorien in sozialen Medien beitragen. Verschwörungstheorien wurden während des größten Teils des letzten Jahrhunderts als harmlose Kuriosität betrachtet. Ihre rasche Verbreitung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, die zu einem beträchtlichen Teil von Online-Verschwörungsgruppen getragen wurde, hat allerdings gezeigt, welchen konkreten Schaden der Glaube an Verschwörungstheorien anrichten kann.
Die Existenz von Verschwörungstheorien an sich ist nicht nur negativ: Ihre Anhänger:innen können eine soziale “Wächterfunktion” erfüllen, die die gesellschaftlichen Eliten zwingt, ihr Handeln zu rechtfertigen. Im Zusammenspiel mit dem Verbreitungspotenzial durch soziale Medien – insbesondere Messenger wie Telegram – und den koordinierten Bemühungen externer Akteure, Verschwörungstheorien zu verbreiten, hat sich die Rolle von Verschwörungstheorien allerdings verschoben, sodass sie der Gesellschaft aktuell eher schaden als nützen. Obwohl sich die meisten politischen Entscheidungsträger:innen einig sind, dass die Verbreitung von Verschwörungstheorien eingedämmt werden sollte, ist es eine ungelöste Herausforderung, ohne massive Zensur oder die Stigmatisierung von Anhänger:innen von Verschwörungstheorien in soziale Medien einzugreifen.
In unserem Projekt fassen wir die Verbreitung von Verschwörungstheorien als Phänomen auf, das durch verschiedene individuelle, soziale und technologische Aspekte begünstigt wird. Wir wollen die verschiedenen Beiträge dieser Aspekte zur Verbreitung von Verschwörungstheorien verstehen, um die Basis für Interventionen zu schaffen, die auf die Gestaltung von Plattformen und Algorithmen sowie auf Aktivitäten abzielen, die von externen Akteuren koordiniert werden, anstatt einzelne Anhänger:innen von Verschwörungstheorien zu stigmatisieren und zu zensieren.
Da wir insbesondere Erkenntnisse für den deutschsprachigen Raum gewinnen möchten, konzentrieren wir uns auf Verschwörungstheorien aus deutschsprachigen öffentlichen Telegram-Kanälen. Wir nutzen ein Archiv dieser Kanäle (das “Schwurbelarchiv”), das 2022 veröffentlicht wurde und hauptsächlich Nachrichten aus den Jahren 2019 bis 2022 enthält. Da ein großer Teil der Daten multimediale Inhalte sind ist der Datensatz mit über 23 Terrabyte an Daten sehr groß und schwer zu handhaben. Ein wesentlicher Beitrag unseres Projektes ist daher auch, den Datensatz zu bereinigen, zu strukturieren und Teile der multimedialen Inhalte zu transkribieren, um automatisierte Textverarbeitung zu ermöglichen und die Daten für andere Forschende nutzbar zu machen. Insgesamt steht die Forschung mit multimedialen Inhalten von sozialen Medien noch am Anfang, und wir erwarten uns spannende Erkenntnisse aus der Analyse von Sprachnachrichten und Videos.